(2019) Ein versunkenes Königreich im Wald

Im Waldheim Stötten sind der kindlichen Fantasie keine Grenzen gesetzt: Dort entstehen Bauwerke von Atlantis bis zur Sauna in Paris.

Im Waldheim in Stötten reisen die Kinder drei Wochen lang durch die Welt. Bei den Kennenlernspielen genauso wie während der täglichen Andachten, bei denen sie Glaubenszeugnisse von Menschen aus aller Welt hören und selbst die fröhlichen Mitsing-Lieder etwas mit der weiten Welt zu tun haben.

Durch die Welt reisen sie aber vor allem beim täglichen Lägerlesbau im Wald beim Stöttener Schützenhaus, der vom Waldheim aus zu Fuß zu erreichen ist. Dort sind weder der Fantasie der Kinder noch der Betreuer irgendwelche Grenzen gesetzt. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um die Gruppe der Fünfund Sechsjährigen handelt, um die der Sieben bis Neunjährigen oder um die Großen bis zum Alter von 13 Jahren, „die schon wissen, wie der Hase läuft, weil die meisten schon oft am Waldheim teilgenommen haben“, wie Waldheimleiterin Daniela Hartmann erzählt.

Bei den Kleinen fragt Betreuerin Giovanna die Kinder, wohin ihre Reise gehen soll und schlägt als Beispiel Frankreich oder Griechenland vor. Als der siebenjährige Niklas Atlantis ins Spiel bringt und der sechsjährige David ausführt, dass es sich dabei um ein versunkenes Königreich mit Schloss handelt, sind die anderen von dieser Idee hingerissen. Sofort schwärmen sie aus und suchen Holz: Für einen Tempel, dessen Grundidee den beiden jüngsten Betreuern Jonathan und Nico sofort vorschwebt, für Pyramiden und sogar für ein U-Boot.

Nichts bleibt lange bestehen
Das Holz liegt überall im Wald: Es ist das, was von Forstarbeiten übrig ist, oder auch das, was die Waldheimkinder der beiden vergangenen Wochen gebaut haben und die Kinder der folgenden Wochen wieder abreißen, weil sonst ihr Bauplatz zu klein wird.

Die zehnjährige Jana, die alle drei Wochen mit Begeisterung ins Waldheim geht, findet das zwar „schon blöd, dass man es abreißen muss“, sieht es aber auch positiv: „Dafür baut man ja immer was Neues.“ Im Lauf der drei Wochen hat sie immerhin an der Tower Bridge und am Big Ben mitgearbeitet, hat einen Flughafen gebaut mit einem Turm, „der sogar Nessie ausgehalten hat“ – wobei es sich bei Nessie um eine Betreuerin handelt –, und sie ist in dieser Woche dabei, den Louvre und den Eiffelturm mit ihrer Gruppe herzustellen. „Aus dem Lägerlebauen wächst man nie raus“, sagt Manuel, der zum achten Mal als Mitarbeiter dabei ist und davor jahrelang selbst Waldheimkind war. Felix, Mitarbeiter seit 2006, sieht das genauso.

Die Gruppe der Siebenbis Neunjährigen hat sich ebenfalls für Paris als Reiseland entschieden. „Wir bauen gerade eine Sauna“, berichtet Ellinor. Seltsam findet sie das in Bezug auf Paris gar nicht: „Paris ist doch die Stadt der Verliebten, alle sind deshalb entspannt, und da passt Sauna gut“, erläutert die Achtjährige die Logik dahinter. Mit der Notre Dame haben die Kinder noch nicht begonnen. „Das geht schnell – sie braucht ja kein Dach mehr“, sieht Betreuerin Ronja das pragmatisch.

Dass sowohl der Eiffelturmbau, als auch der Bau der Sauna mit einer Pyramide starten, die aus drei zusammengebundenen Ästen besteht, ist kein Zufall: „Dreieck besteht, Viereck vergeht“, begründet Betreuer Per dieses Vorgehen grinsend.

Punkt halb vier gibt es für alle Waldheim-Bauarbeiter eine Stärkung: Markus Hartmann bringt an jedes der Lägerle Äpfel und Nutellabrote, um die Energie bis zum Feierabend erneut zu aktivieren.

Geislinger Zeitung vom 13.08.20219, Claudia Burst