(2008) Wo Daheimbleiben Spaß macht

Morgens kurz nach acht Uhr fängt es an zu wuseln. Drei Busse spucken kurz hintereinander über 200 Kinder aus. Daniela Hartmann steht mit der Warnweste an der Haltestelle und sorgt dafür, dass alle sicher über die Straße kommen. Bis abends 18 Uhr finden die Waldheimleiterin und ihr Betreuerteam kaum Ruhe.

Große Schüsseln mit Brötchen stehen auf den Ti­schen, daneben Teller mit einem Berg Nutella darauf. Robin, Fabian und Moritz greifen hungrig zu. Die Zwölfjährigen schaffen sich beim ge­meinsamen Frühstück eine gute Grundlage für einen Tag mit viel Be­wegung an der frischen Luft. „Echt gut” finden Robin und Fabian das Waldheim in Stötten.

Die beiden Süßener sind zum ersten Mal dabei. Mit Moritz aus Gingen haben sie sich hier angefreundet. Draußen regnet es an diesem Tag zwar Bindfäden, aber das Trio kann es kaum erwarten, in den Wald zu kommen. Der Grund: Heute findet die Lägerles-Prämierung statt. „Wir haben ein Trojanisches Pferd ge­baut, in das sogar zwei Leute reinsitzen können”, berichtet Moritz. Wie wird die Jury, bestehend aus dem Leitungsteam, die Kreation wohl be­werten?

Keine Computer, keine Handys, und einen Film gibt’s nur bei Dauerregen. Dafür werden intensiv die Na­tur und die Gemeinschaft erlebt – dieses Erfolgsrezept funktioniert hier seit fast einem halben Jahrhun­dert. Das evangelische Ferienwald­heim in Geislingen-Stötten feiert 2009 sein 50-jähriges Bestehen. Von nicht wenigen Steppkes, die hier an den langen Tischen sitzen, waren schon die Eltern Waldheimkinder.

Sonst nie in der Natur
Robin und Fabian sind zwar das ganze Jahr über viel an der frischen Luft, aber das gilt nicht für alle Kin­der. „Viele kommen sonst gar nicht raus in die Natur”, hat Leiterin Da­niela Hartmann beobachtet. „Für die ist das hier schon etwas Beson­deres.” Für manche ist das Wald­heim aus einem anderen Grund ein Höhepunkt; „Rund ein Viertel der Kinder, die hier sind, fährt gar nicht in Urlaub”, schätzt die Leiterin. Vor allem berufstätige Eltern schätzen Ferientagheime wie das in Stötten, sagt Daniela Hartmann, denn hier wissen sie ihre Kinder in der schul­freien Zeit gut aufgehoben. Wichtig ist im evangelischen Waldheim die tägliche Andacht, bei der auch Kin­der begeistert mitmachen, die sonst wenige Berührungspunkte mit dem christlichen Glauben haben.

Auch Emily (fast neun) und der siebenjährigen Helen aus Donzdorf gefällt es gut hier: „Vor allem in den Wald rausgehen macht Spaß”, be­richtet Emily. Die Schwestern sind gespannt, wie ihre selbst gebauten Indianer-Tipis vor den Augen der Jury abschneiden werden. Ihre Freundin Svenja bedauert, dass sie nur eine Woche bleiben kann. Ande­rerseits haben sogar größere Kinder manchmal Heimweh, weiß Daniela Hartmann. Bei anderen merke man, dass sie es nicht gewohnt sind, sich in eine Gruppe einzufü­gen oder ein längeres Stück zu Fuß zu gehen.

Während die Kinder gruppen­weise ins Freie strömen, ist das Kü­chenteam schon vollauf mit Spülen beschäftigt: 300 Gedecke für Kinder und Betreuer werden abgewaschen – und das bei bemerkenswert guter Laune. „Wir sind ein fröhliches Team”, unterstreicht Küchenchefin Rosi Guter, was ihre Mitstreiterin­nen mit einem herzlichen Lachen bestätigen. Insgesamt 70 Helfer sind in den drei Waldheimwochen im Einsatz, davon elf in der Küche. „Drei Mitarbeiter im Leitungsteam opfern sogar ihren Erholungsur­laub”, sagt Daniela Hartmann, die als Jugendreferentin der Geislinger Gesamtkirchengemeinde die ein­zige hauptamtliche Kraft ist.

Mit 14 Jahren Schnupper-Helfer
Die 28-Jährige ist selbst kein ehe­maliges Waldheimkind. Das unter­scheidet sie von etlichen anderen Betreuern: „Wenn die Altersgrenze erreicht ist, möchten viele als Helfer wiederkommen.” So wie Fabian aus Süßen etwa, der als Zwölfjähriger zum letzten Mal Waldheimkind sein darf. Damit die Wartezeit nicht so lang wird, dürfen dieses Jahr erst­mals 14-Jährige als „Schnupper-Hel­fer” dabei sein. Auf Anhieb haben sich zehn Teenager dafür gemeldet, so Hartmann.

Es ist wohl die besondere Mi­schung, die viele Waldheim-Fans immer wieder kommen lässt: Das Prinzip „Zurück zur Natur” in Zei­ten von immer mehr elektronischer Freizeitgestaltung. Das Sich-Zusammenraufen in der Gruppe. Die fröh­lich-entspannte Stimmung. Und für manche auch die Spannung beim Lägerles-Wettbewerb. Das Trojani­sche Pferd wurde übrigens Erster.

(Ingrid Zeeb, NWZ)